Tanzen, Spielen, Flechten,... – 07.02.2020


Die Mädchen im Hostel müssen jeden Tag um 5:30 Uhr aufstehen – außer sonntags, da geht’s erst um 6 Uhr los. Jeder Morgen beginnt mit einem Gebet und einem unglaublich dynamischen und kraftvollen Lied (von dem wir aufgewacht sind). Für alle katholischen Mädchen gibt es dann von 6:45 bis 7:15 Uhr eine Messe in der Kapelle, für die extra ein Pfarrer aus der Social Community in Anekal kommt. Alle anderen, also Nicht-Katholiken, sollen diese Zeit bis zum Frühstück zum Lernen nutzen. 
Gegen 8 Uhr gibt es Frühstück und danach machen sich die Mädchen nach und nach zur Schule auf den Weg, da nicht alle die gleiche Schule besuchen und daher unterschiedlich lange Wege haben. Leider hatten wir daher nur wenig Zeit, mit den Kindern ins Gespräch zu kommen und zu spielen. Aber zum Glück haben einige erst 10 Uhr Schulbeginn, und mit diesen zehn bis 15 Mädchen konnten wir dann noch fast zwei Stunden zusammen sein. Wir waren draußen im Garten und haben getanzt, gelacht und uns ein wenig Kannada (die Landessprache des Staates Karnataka) beibringen lassen. Die Mädels hatten großen Gefallen an meiner Kamera gefunden, weshalb ich jetzt sicherlich hundert Bilder von ihnen und uns habe – ihr werdet einige davon im Blog finden. 
Die Girls waren alle so lieb und offen und wollten immer alle gleichzeitig mit uns etwas machen. Wir haben auch alle verschiedene Frisuren von ihnen bekommen (ja, auch Valentin), denn sie müssen in die Schule eine ganz spezielle tragen: zwei geflochtene Zöpfe, die dann jeweils zu einer Schlaufe gebunden werden. Der Abschied war schwer, auch wenn wir nur eine so kurze Zeit bei ihnen waren.
Gegen 10:30 Uhr wurden wir wieder in das Community Zentrum gefahren, wo wir gemeinsam mit Father Cyprus junge Frauen besucht haben, die dort zu Näherinnen ausgebildet werden. Mit ihnen haben wir für eine Stunde lange geredet, und uns gegenseitig Fragen gestellt. Die Frauen waren teilweise verheiratet und hatten manchmal sogar schon Kinder, obwohl die meisten erst um die 20 Jahre alt waren. Es war wirklich toll, mit ihnen zu sprechen, denn sie waren offen und interessiert und haben sowohl unsere Fragen über ihr Leben bereitwillig beantwortet, als auch viele Fragen über Deutschland gestellt. Gleichzeitig war die Begegnung aber auch etwas erschreckend für uns, weil uns erst hier klar wurde, wie abhängig die meisten indischen Frauen von ihren Männern sind. Manche können zwar Geld verdienen, zum Beispiel eben wenn sie schneidern und nähen, aber sie müssen all das verdiente Geld an ihren Ehemann oder Vater abgeben. Und wenn sie selbst mal einkaufen gehen wollen, begleitet der Mann sie für gewöhnlich, um ganz genau unter Kontrolle zu haben, wofür wie viel Geld ausgegeben wird. Auf der anderen Seite ist natürlich der Haushalt vollkommen den Frauen überlassen, und sie müssen ihre Männer zu Hause bedienen. Ein Satz ist uns besonders im Gedächtnis geblieben: „Es ist mehr Angst als Liebe“ (zu ihren Männern). Da wird einem erst richtig klar, wie gut wir es in Deutschland haben, nicht nur als Frauen, sondern allgemein unseren Lebensstandard betrachtend...
Nach dem Mittagessen im Hostel wurden wir dann mit dem Auto wieder zur Schule gebracht. Die Fahrt verlief aber glücklicherweise sehr schnell und wir waren schon früher als gedacht in Bangalore. Auch wenn wir eine so kurze Zeit in Anekal waren, war es eine wirklich tolle und wichtige Erfahrung, denn wir konnten so den wirklich großen Unterschied zwischen Stadt- und Landleben in Indien hautnah erleben. 


Merle

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